Jüngere Geschichte der Chemiefasern

Die erste Idee

Bereits 1665 entsprang dem Engländer Robert Hooke der Gedanke, künstliche Fäden aus einer zähflüssigen Masse herzustellen. Bis zur Realisierung dieser Idee musste jedoch ein weiter Weg gegangen werden, der mehr als zwei weitere Jahrhunderte lang dauerte und der von vielen Misserfolgen begleitet wurde.

Der Durchbruch

Auf der Basis dieser Versuche gelang Graf Hilaire de Chardonnet zwischen 1878 und 1884 der Durchbruch zur Herstellung der ersten natürlichen Chemiefaser („künstliche Seide“, „Nitro-Kunstseide“) aus gelöster Dinitrocellulose, die ab 1890 industriell hergestellt wurde.

Die „Väter der Kunstseide“

1857 entdeckte Prof. Mathias Eduard Schweizer die Löslichkeit von Cellulose in ammoniakalischer Kupfersalzlösung, die dann 1897 von Dr. Max Fremery und Johann Urban zur Herstellung von Cupro-Fasern (Kunstseide) verwendet wurde. Dieses Verfahren erforderte als Rohstoff die relativ teuren Baumwoll-Linters (3.5 mm lange Haare auf der Samenkapsel der Baumwolle).

Die Geburtstunde der Viskose- und Acetatfaser

Bis heute Bedeutung haben die im Jahr 1885 erfundene Herstellung von Viskosefasern aus dem in Natronlauge löslichen Cellulosexanthogenat sowie die ab 1919 in industriellem Maßstab erzeugten Acetatfasern, deren Ausgangspolymer durch Teilverseifung aus dem bereits seit 1865 bekannten und durch Acetylierung von Cellulose gebildeten „Cellulosetriacetat“ hergestellt werden konnte.

Die Synthesefasern

Vollkommen unabhängig vom natürlichen Rohstoff Cellulose sind dagegen die Synthesefasern wie z. B. Polyamid 6.6 („Nylon“, 1935), Polyamid 6 („Perlon“, 1938), Polyacrynitril (1942), Polyester (1941) oder Elastan (1937).

Die Geburtstunde des Polyamids PA 66

Bahnbrechend war das Jahr 1935, in dem es einer Gruppe von Amerikanern um Dr. Wallace Hume Carothers gelang, das erste vollsynthetische, spinnfähige Polyamid herzustellen, das in Form der Nylon-Strümpfe am 16. Mai 1940 (Nylon-Day) ins Bewusstsein der Öffentlichkeit geriet.

… und des PET, PAN und PUR

Zwischenzeitlich folgte 1938 Dr. Paul Schlack mit der Erfindung des Perlons (Polyamid 6). Grundlegend hierfür war die Erkenntnis von Prof. Dr. Hermann Staudinger, der im Jahr 1925 die Existenz von makromolekularen organischen Verbindungen postuliert und dann auch experimentell nachgewiesen hatte. Es folgten die Erfindungen von Polyurethan (1937), Polyester (1941) und Polyacrylnitril (1942).

Der Siegeszug der Chemiefasern

Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Siegeszug der Chemiefasern nicht mehr aufzuhalten. Mit Beginn der Massenproduktion von so erfolgreichen Chemiefasern wie Polyacryl, Polyacrylnitril, Polyamid, Polyester, Elastan und Viskose wurden Lebensqualität und Lebensgefühl der Bevölkerung nachhaltig verbessert.